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05. JANUAR 2004

Nürtinger Zeitung Meldung vom 05. Januar 2004

"Mir macht's einfach Spaß, mit Tieren umzugehen"

Kleintierzüchter in der Region klagen nicht über mangelnden Nachwuchs - Ein Beispiel aus Wolfschlugen

WOLFSCHLUGEN. Bei oberflächlichen Menschen gelten sie als Inbegriff der Spießigkeit, als Zeitgenossen, die einem Hobby von gestern anhängen, das keine Zukunft mehr hat. Bei näherem Hinsehen zerplatzt dieses Trugbild indes wie eine Seifenblase. Dann wird deutlich, dass diese Leidenschaft im wahrsten Sinne des Wortes voller Leben ist und sich nach wie vor auch junge Menschen dafür begeistern.


Jawohl, voller Leben: Der jetzt zwölfjährige Dominik Borkowski aus Wolfschlugen wird wohl den Moment nie vergessen, als seine erste Häsin ihre ersten Jungen geworfen hatte: "Das war ganz arg schön. So richtig kleine Bobbele, grad mal eine Hand voll jedes!", erinnert er sich noch heute an diesen Moment, der fast drei Jahre zurückliegt.

Da hatte er seinem Vater Frank immer wieder über die Schulter geguckt, wie der liebevoll mit seinen Hasen umging, und wenn der Vater mit dem Sohne was unternimmt, dann ist das immer prima, und dann springt schon so mancher Funke über.

"Hochheben und streicheln"

"Ich wollte dann auch Hasen", erzählt Dominik, in dem dieser zündende Funke noch nicht erloschen ist, sondern eine regelrechte Glut entfacht hat. Am Wochenende wurde er mit seinen Zwergwiddern schwarz 3. Kreismeister des Verbandes Untere Filder und erhielt von den Großen allenthalben anerkennendes Schulterklopfen. Und so was tut natürlich gut.

Warum hat er sich nun ausgerechnet diese Rasse ausgesucht? Der Grund klingt einleuchtend: "Ich wollte keine so großen Tiere, sondern sie hochheben und streicheln. Das geht mit kleineren halt besser, und die haben mir gefallen."

Mit drei Häsinnen und einem Rammler hat er im Hasenstall vor dem Haus begonnen, und nach dem ersten Jahr waren's rund ein Dutzend. So was motiviert, hilft einem die Durststrecken zu überbrücken. Denn täglich zweimal will gefüttert sein ("Ich gebe meist Heu und trockenes Brot"), und schöne Tiere wollen auch eine saubere Umgebung. An der Notwendigkeit zum Ausmisten ist ja schon so manche Liebe zu einem Zwerghäslein, das es zu Weihnachten, Ostern oder Geburtstag gab, erkaltet.

Dominik freilich hat durchgehalten, holte sich immer wieder Tipps vom Vater, und die sprudeln auch jetzt förmlich aus ihm heraus: "Man sollte immer gleich viel Futter geben, nicht zu wenig, nicht zu viel. Und das auch regelmäßig, nicht einen Tag einen Haufen und am nächsten gar nichts."

Das rechte Maß zu finden ist im Leben nicht immer leicht. Und so drückte ihm der Herr Papa ein Gefäß in die Hand, mit dem er die richtige Dosierung des Futters abschätzen konnte. Auch noch nach drei Jahren geht Dominik eisern jeden Morgen und jeden Abend zum Stall, um seine Zwergwidder zu füttern und auch sonst nach dem Rechten zu sehen.

Was fasziniert ihn denn so an diesem Hobby, das weder bei den Erwachsenen noch bei den Jugendlichen in den "In"-Listen von heute auf den absoluten Top-Plätzen auftaucht? Auch das hat sehr viel mit Leben zu tun: "Mir gefallen Tiere einfach, es macht mir halt einfach Spaß, mit ihnen umzugehen." Sie betreuen, sie hegen und pflegen, das tut er nach wie vor gern, aber nach wie vor kann er sie nicht töten. Das Schlachten, das muss noch heute der Vater machen: "Das bringe ich einfach nicht übers Herz." Aber sie zerlegen, wenn sie tot sind, das kann er jetzt auch.

Jetzt hat er auch akzeptiert, dass Zuchthasen das Rentenalter nur in minimaler Zahl erreichen. Die meisten haben nur eine Lebensdauer von einem Jahr, um die Anforderungen der Wertungsrichter zu erfüllen. Die hält auch Dominik zuweilen für ganz schön happig: "Meine Hasen dürfen zum Beispiel fast keine weißen Härle haben, ein einziges Büschel - und sie fallen schon aus der Wertung." Wobei ein Büschel gemeinhin schon bei fünf Härle an einem Fleck beginnt.

Mit anderen Kriterien kommt er weit besser zurecht: "Sie dürfen auch nicht zu groß werden, man muss auf Gewicht achten." Ja, und Dominik selbst kann von den "schönen langen offenen Ohren" seiner Zwergwidder ein regelrecht euphorisches Liedchen singen.

Und so nimmt er es auf sich, mit der Pinzette immer wieder die weißen Härle rauszuzupfen, kontrolliert, wie viel Pfunde die Tierchen auf die Waage bringen, sucht die richtigen Tiere aus, denen erlaubt wird, miteinander der Leidenschaft und dem Verlangen zu frönen (und den Züchter mit schönem Nachwuchs zu belohnen), und nimmt so manches Ungemach, das ein solches Steckenpferd mit sich bringt, in Kauf.

Gefühl für die Tiere

An der Nürtinger Geschwister-Scholl-Realschule geht er in die 7. Klasse, wird auch mal von Klassenkameraden um Rat gefragt, wenn deren Zwerghase zu Hause kränkelt (und es bereitet ihm Freude, wenn er helfen kann), aber groß zum Thema wird sein Hobby nicht - dass er Kleintierzüchter ist, gilt nicht als Sensation, sorgt aber auch nicht für Spott und Hänseleien - und das ist ja wahrlich nicht die schlechteste Basis, um eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu pflegen.

Der Erfolg von der Kreisausstellung vom Wochenende verführt Dominik (dessen neunjähriger Bruder Timo jetzt auch mit dem Züchten begonnen hat, allerdings setzt er auf Rassehühner) nicht, stets im alten Trott weiterzumachen. Er hat sich dazu entschlossen, nunmehr die Rasse zu wechseln. Das mit dem Härle-Zupfen mag ihm partout nicht schmecken, also züchtet er im neuen Jahr Zwergwidder grau: "Bei denen kommt's weniger auf die Haarfarbe, mehr auf die Form an."

Aber auch bei denen gilt, dass ein Züchter viel Gefühl haben muss, ganz egal, wie alt er ist. Und Dominik hat's, weiß, dass der Ausdruck "Angsthase" wahrlich nicht von ungefähr kommt: "Wenn auf einer Ausstellung so viele Leute vorbeikommen und es so laut ist, dann werden die ganz hüpfelig, wenn bewertet wird." - Und in derlei Stress-Situationen tun (nicht nur) Hasen Streicheleinheiten gut. Auch das ist im Grunde eine Lehre fürs Leben.





Die Kleintierzucht hat (nicht nur) in Wolfschlugen auch eine Zukunft: Dominik Borkowski mit preisgekröntem Zwergwidder.jg

JÜRGEN GERRMANN




 
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