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ANFORDERUNGEN AN DIE GEWERBLICHE KANINCHENHALTUNG |
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Anforderungen an die gewerbliche Kaninchenhaltung 2015 Was bedeutet das für die organisierte Rassekaninchenzucht im ZDRK?
Die fünfte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung vom 05.02.2014 (ausgegeben am 20.02.2014 im Bundesgesetzblatt Teil 1 Nr. 6 in Bonn) trat am 11.08.2014 in Kraft. Durch diese Änderung wurden erstmals gesetzliche Anforderungen an das Halten von Kaninchen formuliert. Warum war das notwendig?
Bislang gab es keine speziellen gesetzlichen Vorschriften für die Mastkaninchen- und die herkömmliche Kaninchenhaltung. Grundlage für die Beurteilung von Kaninchen war bisher immer lediglich § 2 des Tierschutzgesetzes vom 18.05.2006 in letzter Änderung vom 15.07.2009. Danach muss jeder, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
1.das Tier seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und unterbringen, darf 2.die Möglichkeit des Tieres zur artgemäßen Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, muss 3.über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Die Möglichkeit, besondere Vorgaben für Bewegungsmöglichkeiten, Räume etc., Lichtverhältnisse und Raumklima, Pflege und Überwachung sowie Sachkunde des Tierhalters, wie sie in § 2a des Tierschutzgesetzes gegeben waren, festzulegen, (wie es für andere Tierarten längst geschehen ist), wurde weder für die gewerbliche noch für die herkömmliche Kaninchenhaltung genutzt. Mit Leitlinien zu Mindeststandards für die Hauskaninchen vom 09.05.2007 durch die deutsche Gruppe der World Rabbit Science Association (WRSA) und den DLG-Ausschuss für Kaninchenzucht und –Haltung gab es eine erste fachliche Orientierung. Im März 2009 folgte dann der Arbeitskreis 1 (Nutztierhaltung) der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) mit eigenen Leitlinien sowohl für die herkömmliche Kaninchenhaltung als auch für die Mastkaninchenhaltung (Merkblatt Nr. 78 TVT – Stand Juni 2009).
Da sowohl Leitlinien als auch Richtlinien von Vereinigungen, Verbänden usw. keine rechtsverbindliche Kraft entwickeln können, die Kritik an der Mastkaninchenhaltung (in Deutschland gibt es ca. 58 Betriebe) aber nicht verstummte, musste der Gesetzgeber reagieren. Dies führte zur Änderung und Erweiterung der Tierschutznutztierhaltungs-Verordnung vom 22.08.2006, in der bereits tierschutzrechtliche Normen für Kälber, Legehennen, Schweine und Pelztiere festgelegt waren. Nach Aussagen des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz orientiert sich die neue Verordnung „eng an den Bedürfnissen der Tiere und berücksichtigt das typische Bewegungsverhalten von Kaninchen, wie die sogenannten Hoppelsprünge und die aufgerichtete Haltung. So muss der Stallboden künftig mit rutschfesten, trittsicheren Unterlagen sowie trockener Liegefläche ausgestattet sein. Die Tiere dürfen nicht isoliert gehalten werden. Kaninchen haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Sie bilden stabile Gruppen und nehmen häufig Kontakt miteinander auf. Alle Tiere müssen Zugang zu strukturiertem Raufutter wie Stroh, Heu oder geeignetes Nagematerial haben. Damit wird dem typische Verhalten wie Nagen, Scharren und Graben Rechnung getragen.“ (Zitatende).
Da es keine spezifischen Vorschriften für die Kaninchenhaltung und –Zucht zu Erwerbszwecken gab, wurden nun detaillierte Anforderungen an eine verhaltensgerechte Unterbringung und Pflege von Kaninchen sowie die Voraussetzungen für das Ausüben arteigener Bedürfnisse formuliert (siehe auch Abschnitt 6 - §§ 31-37 der Tierschutznutztierhaltungs-Verordnung).
Eindeutig und klar sind diese Vorschriften für die Kaninchenhaltung zu Erwerbszwecken gedacht. Ebenso klar drückt es die Tierschutznutztierhaltungs-Verordnung in § 1 (Anwendungsbereich) aus: „Diese Verordnung gilt für das Halten von Nutztieren zu Erwerbszwecken.
Bei der Gegenüberstellung der Rassekaninchenzucht und der gewerblichen Mastkaninchenhaltung ergeben sich deutliche Unterschiede:
Rassekaninchenzucht: 1. Umgang und Auseinandersetzung mit lebenden Tieren 2. Kreativer Ausgleich 3. Persönliche Entfaltung 4. Fördert Gemeinsinn 5. Förderung und Erhaltung der Rassenvielfalt 20 LV mit über 4000 Vereinen mit einer Mitgliederzahl von ca. 125000
Mastkaninchenhaltung: 1. Gewinnorientierte Betriebsführung 2. Teilweise Vollerwerbslandwirte 3. Marktorientierung 4. Reproduktion und Mast arbeitsteilig in Basiszucht Vermehrungszucht Produktion
überwiegend Einzelhaltung in Boxen, Buchten, Käfigen, gelegentlich Boden- und Freilandhaltung, eher selten Haltung in geschlossenen Ställen mit einstreulosen Käfigsystemen, Lichtprogramm und Klimatisierung Futter: pelletiertes Alleinfutter
Die Grundlagen der Rassekaninchenzucht sind eindeutig eher ideeller Natur, die Motive der Mastkaninchenhalter sind eindeutig wirtschaftlicher Natur, und bei den Vollerwerbslandwirten sichert die Haltung die Existenzgrundlage von Menschen. Sachlich betrachtet sind beide Grundlagen in unserer Gesellschaft verankert (hier Schweine- und Geflügelhaltung – dort Haltung von Hund, Katze oder Taube). Weder der einen noch der anderen Tierhaltung kann man eine höhere moralische Instanz zumessen. Dies sollte jedem Kritiker der gewerblichen Tierhaltung klar sein. Natürlich werden Kaninchen in einer Mastanlage durch die Minimierung des Arbeitsaufwandes im Regelfall anders gehalten als bei Rassekaninchenzüchtern (hier gibt es eine individuelle Mensch-Tier-Beziehung), aber beide wollen sicher das Beste für ihre Tiere und wollen Schäden – vor allem Krankheiten – abwenden.
Obwohl dem ZDRK-Präsidium klar war, dass Tierschutz unteilbar ist, bemühte es sich auf der Grundlage der unterschiedlichen Voraussetzungen und Motivationen eine Ausschließlichkeitsklausel für die Rassekaninchenzucht zu erwirken. Dies schlug bekanntermaßen fehl. So wurde eine eigene Richtlinie für die Haltung und Zucht von Rassekaninchen im ZDRK entwickelt, die am 16.03.2013 vom erweiterten Präsidium verabschiedet wurde. Sie enthält neben Anforderungen an Maße und Größen besonders auch die Voraussetzungen für eine verhaltensgerechte Unterbringung. Sie dient der organisierten Kaninchenzucht als Selbstverpflichtung und Eigenkontrolle und als Grundlage, dem Tierwohl (animal welfare) in ausreichendem Maße gerecht zu werden.
Trotz allem blieb eine Frage offen: Wann (ab welcher Tierzahl) ist eine Kaninchenhaltung gewerbsmäßig? Deshalb bat der Bundesrat in der Drucksache 570/13 vom 20.09.2013 die Bundesregierung, zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten bei Tierhaltern und Überwachungsbehörden den Anwendungsbereich klarzustellen und die Frage der Gewerbsmäßigkeit zu klären.
Die Antwort: „Von dieser Regelung betroffen sind hierbei diejenigen Rasse- und Hobbykaninchenzüchter, die ihre Tiere vorwiegend zu Erwerbszwecken halten. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Haltung und/oder Zucht der Kaninchen über die Nutzung zum eigenen Bedarf hinausgeht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Tiere oder deren Produkte in größerem Umfang gegen Entgelt an Dritte abgegeben werden.“
Dies soll von den zuständigen Behörden jeweils im Einzelfall geprüft werden. Der Eigenbedarf der Züchter wurde mit einem Schlachtkörper pro Woche für einen 4-Personen-Haushalt ermittelt (eine Differenzierung nach Rassen gibt es nicht!). Ob Tiere gegen Entgelt an Dritte abgegeben werden, könnte dadurch belegt werden, dass ihre Zahl regelmäßig deutlich über den für den Eigenbedarf benötigten Tieren liegt.“
Dies ist der aktuelle Stand der gesetzlichen Vorschriften. Eine spezifizierte Definition für die gewerbliche Kaninchenhaltung, die unter anderem die Rassevielfalt- und damit die erheblichen Größen- und Gewichtsdifferenzen der Rassen berücksichtigt – gibt es nicht. Damit ist auch ein größerer Ermessenspielraum für die Behörden gegeben, während der Züchter weiterhin keinen konkreten Anhaltspunkt hat.
Letzte Klarheit kann möglicherweise nur eine Normenkontrollklage bringen.
Unabhängig von dieser unbefriedigenden Gesetzeslage sollte jeder Kaninchenzüchter folgendes beachten: 1. Mit der ZDRK-Richtlinie 3/13 zur Zucht und Haltung hat sich der ZDRK –und damit die Mitglieder- dazu verpflichtet, die Anforderungen dieser Richtlinie umzusetzen und einzuhalten. 2.Neben den für die Rassegruppen unterschiedlichen Boxenmaßen (zum Teil analog den TVT-Vorgaben) sind die Voraussetzungen für einen ethischen Tierschutz sicherzustellen (Futter, Sozialkontakte, Bewegung, Raumstruktur usw.). 3. Die Boxenmaße sind Mindestmaße. 4.Besonderes Augenmerk ist auf die Reinigungs- und Pflegemaßnahmen im Stall zu legen. Denn nur eine gepflegte Stallanlage mit gesunden Tieren kann ein Aushängeschild für die Rassekaninchenzucht im ZDRK sein.
Sollten dennoch Probleme mit Ämtern und Behörden auftreten, sollte man prüfen, ob man die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, und sich dann mit dem zuständigen Tierschutzbeauftragten des Landesverbandes bzw. dem ZDRK-Tierschutzbeauftragten in Verbindung setzen.
Die Richtlinie und der Sachkundenachweis sind ab Mitte Januar 2015 bei den Drucksachenverteilerstellen verfügbar.
Dr. Berger Tierschutzbeauftragte
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